Gefährlich und verführerisch: Die Ausstellung „Ayashii“ zeigt Bilder weiblicher Schönheit in der modernen japanischen Kunst

Eine junge Frau verliebt sich in einen Mönch. Als sie erkennt, dass er wegen seiner Gelübde ihre Liebe nicht erwidern wird, verwandelt sie sich schließlich in eine Schlange, die ihn umschlingt und verbrennt. Diese Legende von „Anchin und Kiyohime“ hat viele japanische Dichter und Maler inspiriert. Doch selten ist die zerstörerische Leidenschaft der verführten Verführerin so suggestiv überhöht worden wie in diesem Werk von Tachibana Sayume, das in der Ausstellung „Ayashii: Decadent and Grotesque Images of Beauty in Modern Japanese Art“ im Nationalmuseum für moderne Kunst in Tokio gezeigt wird.

„Ayashii“ bedeutet im Japanischen verdächtig oder zweifelhaft – im Zusammenhang dieser Schau meint es aber auch mysteriös oder geisterhaft. Geheimnisvolle schöne Frauen, die sich als Geistwesen oder Dämoninnen entpuppen, haben in japanischen Märchen und Mythen schon immer eine große Rolle gespielt. Entsprechend fasziniert zeigt sich die japanische Malerei von diesem Sujet.

In der Meji-Epoche (1868–1912), als sich Japan gezwungenenermaßen für Einflüsse aus dem Westen öffnete, ließen sich  japanische Künstlerinnen und Künstler von neuen Strömungen in der Kunst inspirieren. Der träumerische und verrätselte Ausdruck, welchen die präraffaelitischen Maler ihren Frauenbildern gerne verliehen, fand in der japanischen Kunst ebenso Niederschlag wie die morbide und dekante Schönheit, die im Jugendstil gefeiert wurde. Nicht nur in „Anchin und Kyohime“ von Tachibana Sayume ist der Einfluss von Aubrey Vincent Beardsley unübersehbar.

 

Uemura Shoen, Flower Basket, 1915, Shouhaku Art Museum
Verzweifelte Leidenschaft: „Blumenkorb“ von Uemura Shoen, 1915, Shouhaku Art Museum

Eine der ersten international bekannten japanischen Malerinnen, Uemura Shoen, ist ebenfalls in der Ausstellung vertreten. Sie wurde berühmt für ihre Bilder, auf denen schöne Frauen nicht nur in klassischen Posen zu sehen sind, sondern häufig auch heftige Emotionen zeigen. So auch ihr „Blumenkorb“ von 1915: Die verzweifelte Leidenschaft der Frau drückt sich hier elegant und dennoch unübersehbar in dem zerrissenen Fächer, den über den Boden wallenden Haaren und dem dramatischen Faltenwurf des Gewandes aus.

„Ayashii“ umfasst 160 Werke, darunter Meisterwerke der japanischen Kunst aus dem späten 18-ten bis zum frühen 20-sten Jahrhundert, sowie einige der einflussreichen Werke aus dem Westen, etwas von Alphonse Mucha, Dante Gabriel Rossetti, Aubrey Vincent Beardsley und Edward Burne-Jones.

Ayashii: Decadent and Grotesque Images of Beauty in Modern Japanese Art“ ist bis zum 16. Mai 2021 im Nationalmuseum für moderne Kunst in Tokio zu sehen. (Andrea Teupke)

Bildhinweis: Tachibana Sayume, Anchin and Kiyohime, End of Taisho (c. 1926), Yayoi Museum

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