Vor vier Jahren, zum Earth Day 2017, hat John Gerrard seine „Western Flag (Spindletop, Texas)“ veröffentlicht. Was aussieht wie der Film eines hohen Masten mit einer Fahne aus schwarzem Rauch, ist tatsächlich eine Computersimulation: Weder der Mast noch die Düsen, aus denen unablässig Rauchwolken zu quellen scheinen, existieren in der Realität. Ein Programm hat berechnet, was eine Kamera filmen würde, könnte sie den Masten langsam umkreisen, Stunde um Stunde, Tag und Nacht, ein ganzes Jahr lang. Nur die öde Landschaft ist real: Spindletop in Texas war vor genau hundert Jahren Schauplatz des weltweit ersten Ölbooms.
Die schwarze Flagge in der heute verwüsteten Landschaft wurde schnell zu einem emblematischen Sinnbild für den westlichen Lebensstil und dessen zerstörerische Auswirkungen auf das Klima. Bilder aus dem Video wurden viele tausend Male kopiert und weltweit als Symbol des Klimaprotestes genutzt. In Deutschland war „Western Flag (Spindletop, Texas)“ 2019 zu sehen: Im Rahmen des Programms „HAMBURG MASCHINE“ wurde die Simulation eine Woche lang auf dem Rathausmarkt in Hamburg gezeigt.
Jetzt hat John Gerrard sein Werk in anderer Form neu aufgelegt: Ein wenige Sekunden währendes Video unter dem Titel „Western Flag (NFT)“ wird als NTF (Non-fungible Token) meistbietend versteigert. Es ist das erste Mal, dass der bekannte Digitalkünstler diese noch junge Technik anwendet, mit der sich fälschungssichere und unverwechselbare Unikate herstellen lassen. Besonders für Künstler, die digitale Werke schaffen wie etwa solche Simulationen, aber auch Videos, Grafiken, Musik oder Texte, sind NFTs ein interessantes Medium. Umstritten ist die Technologie allerdings, da die Berechnung der so genannten Tokens immense Rechnerleistung verschlingt und dadurch zur Erderwärmung massiv beiträgt. Gerrard verspricht, diesen CO-2-Ausstoß zu kompensieren: Die Hälfte der Einnahmen aus dem Verkauf soll in einen Fonds fließen, der zerstörte Böden in Irland wieder herstellen und vor allem Kohlendioxid abscheiden will. (Andrea Teupke)
Weitere Informationen:
John Gerrard bei der Galerie Pace
Pressemitteilung zu der Veröffentlichung als NFT