Von der Larve zu Schmetterling: Diese detaillierte Abbildung der Metamorphosen eines Seidenspinners wird Maria Sybilla Merian zugeschrieben und ist nur eine der Pretiosen, die der Frankfurter Zuckerbäcker und Konditor Johann Valentin Prehn (1749–1821) gesammelt hatte. 812 kleinformatige Bilder in 32 Klappkästen umfasst sein so genanntes „Miniaturkabinett“ – ein Glücksfall für die Kunstgeschichte, hat es sich doch in seiner ursprünglichen Zusammensetzung erhalten. An seiner Sammlung, die wie durch ein Wunder vollständig erhalten blieb, lassen sich wertvolle Rückschlüsse auf die Absichten und Vorlieben der damaligen Sammler ziehen.
Johann Valentin Prehn war als Konditor geschickter Handwerker und erfolgreicher Kaufmann zugleich: Seine feinen Konditoreiwaren wurden geschätzt, sein Ladengeschäft auf der Zeil florierte. Bekannt war er auch für seine kunstvollen Tafelaufsätze für große Festivitäten. Mit den Einnahmen konnte er seine Leidenschaft finanzieren: Er sammelte Kunst.
Neben mehr als 300 Gemälden mittleren und größeren Formats trug er nicht nur Zeichnungen, Graphiken, Skulpturen, Naturalien, römische Antiquitäten, Münzen und Bücher zusammen. Er stellte, als größte Besonderheit, das einzigartige Miniaturkabinett zusammen: Eine vergleichbare Kollektion kleinformatiger Gemälde hat es in Deutschland, ja vermutlich in Europa kein zweites Mal gegeben.
Prehns Miniaturkabinett zeigt Werke verschiedener Epochen vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert in allen Qualitätsstufen. Die dicht gefüllten Kästen vereinen ästhetisch belanglose Dutzendware mit preiswerten Kopien und Gemäldefragmenten, aber auch einzigartige Werke der Hochkunst – und das in oft gewagten und amüsanten Kombinationen.
Der Schwerpunkt der Sammlung liegt bei deutschen, niederländischen und flämischen Malern von der Renaissance bis zur beginnenden Romantik. Großen Raum nimmt die regionale und die Frankfurter Malerei ein. Thematisch hegte Prehn eine Vorliebe für Landschaften, sakrale Historiengemälde, Porträts und Genrestücke. Doch auch Kuriositäten, amüsante, skurrile und erotische Sujets sind in der Sammlung zu finden. Das berühmteste Werk ist das um 1410/20 entstandene Paradiesgärtlein eines Oberrheinischen Meisters (Dauerleihgabe des HMF an das Städel Museum).
Jetzt ist das Paradiesgärtlein zum ersten Mal wieder in seinem ursprünglichen Kontext zu sehen: Das Historische Museum Frankfurt zeigt das komplette Miniaturenkabinett noch bis zum 16. Januar 2022.
Nach dem Tod Prehns wurde die Sammlung 1829 versteigert. Der Sohn Ernst Friedrich Carl zog das Miniaturkabinett jedoch von der Auktion zurück, um es als Ganzes zu erhalten und zum Gedächtnis an seinen verstorbenen Vater der Stadt Frankfurt zu stiften. Lange wurde die Sammlung geringgeschätzt, erst in den 1930er Jahren erkannte man den kunstgeschichtlichen Wert. 2011 begann eine zehnjährige Forschungsarbeit, in der das Miniaturenkabinett unter kunstwissenschaftlichen und mal- und materialtechnischen Gesichtspunkten untersucht wurde. Die Ergebnisse liegen nun in Form eines umfangreichen gedruckten Auswahlkatalogs, einer Online-Datenbank und einer Ausstellung vor, die bis zum 16. Januar 2022 im Sammlermuseum des HMF zu sehen ist. (HMF/ Bearbeitung Andrea Teupke)
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