Was ist Heimat? Eine gemeinsame Suche nach Antworten

Kaum ein Begriff ist so emotional aufgeladen und gleichzeitig so unbestimmt wie dieser: Heimat. Ist das … ein Ort? … eine Gemeinschaft? … etwas Sinnliches? … ein Staat? … ein Grund zur Sorge? … mit Verlust verbunden? … etwas Neues? Entlang dieser sieben Fragen stellt die Ausstellung „Heimaten. Eine Ausstellung und Umfrage“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) 150 Exponate aus – von der antiken Keramik bis zum Computerspiel.

Heimaten: Eine Ausstellung und Umfrage. Foto: Henning Rogge

Die Kurator:innen wollen bewusst auf eine Antwort verzichten, sondern zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Die Besucher können sich per Smartphone an der Auseinandersetzung beteiligen und ihre Vorstellungen beschreiben. Ihre Beiträge werden an die Wände projiziert und so Teil dieser interaktiven Ausstellung, die vom direkten Austausch lebt. Jeder Mensch trägt viele Heimaten in sich, so eine These der Ausstellungsmacher, die bewusst einen sehr weiten Bogen spannen.

Neben altgriechischen und italischen Keramiken werden Trachten ebenso gezeigt wie Grafik, Film, Typografie, Fotografie, Möbel- und Produktdesign bis hin zur App. In dem Spiel „Papers, Please“ schlüpfen Besucher  in die Rolle von Grenzbeamten eines fiktiven autoritären Staates und entscheiden so über Zugang und Ausschluss. Eine reich geschnitzte Tür aus Kaliningrad (um 1600) dagegen führt in eine weit entfernte Heimat im Königsberg der Vergangenheit. Ein Schulheft aus dem Jahr 1938 und die dazugehörende Graphic Novel der US-Deutschen Nora Krug (2018) zeigen die nicht immer konfliktfreie Heimat, die die eigene Familie darstellt.

Musikalische Spur in der neuen Heimat: „Songs of Gastarbeiter Vol. 1“ heißt eine CD von AYKU – IMRAN AYATA  & BÜLENT KULLUKCU  © TRIKONT Verlag, München

Die Compilation „Songs of Gastarbeiter“ folgt der Spur der Musikszene türkischer Einwander:innen in den 1970ern, die vom deutschen Mainstream vielfach ignoriert wurde. Mehrere Jahrhunderte zuvor erzählte Leonhard Kerns barocke Elfenbeingruppe „Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies“ (1645–1650) von Heimatverlust als einer universellen menschlichen Erfahrung. Das verlorene Paradies als Folge der verlorenen Unschuld? Auch Lyonel Feiningers vieldeutiges Kinderspielzeug „Die Stadt am Ende der Welt“ (1919–1921) spielt mit der Sehnsucht nach der vermeintlich guten alten Zeit. Nicht zuletzt kann auch Natur Heimat sein, und so dürfen Bilder vom „deutschen Wald“ nicht fehlen.

Der deutsche Wald als Sehnsuchtsort: Mit diesem Urbild von Heimat warb in den 1950er Jahren die Deutsche Zentrale für Fremdenverkehr

Schließlich haben noch in den 1950er Jahren Werbeplakate für den Fremdenverkehr den Sehnsuchtsort Wald beschworen. Naturzerstörung dagegen wird als Verlust von Heimat erlebt. Die Lichtinstallation „Entomarium (extinct)“ des Wiener Designstudios mischer’traxler, eine Auftragsarbeit der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen für die Ausstellung HEIMATEN, widmet sich deshalb dem Verschwinden der Artenvielfalt in Norddeutschland.

Die interaktive Ausstellung „Heimaten. Eine Ausstellung und Umfrage“ ist bis zum 9. Januar 2022 im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zu sehen. (Andrea Teupke / MK&G)

Weitere Informationen:

„Heimaten. Eine Ausstellung und Umfrage“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

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